Die Arbeit als Social Worker

Eine kurze Erklärung, warum die Beiträge teilweise später erscheinen: Leider habe ich ein paar Tage vor Abflug meinen Laptop geschrottet, weshalb ich hier nur mit meinem Handy arbeiten kann. Die Texte fromuliere ich also auf dem Handy vor und schicke sie samt Bilder an Alf oder, wie jetzt, sitze ich im Arbeitsraum des Hospizes und arbeite am PC.

Heute wurde ich sehr ausführlich von der Sozialarbeiterin über ihre Arbeit und das Hospiz im Allgemeinen aufgeklärt. Zuerst einmal ist zu sagen, dass ich das Konzept Day care falsch verstanden hatte. Die Kinder, die an diesem Tag auch im Haus sind, sind Patienten. Man sieht diesen Tag als psychosoziale Unterstützung, wobei nicht nur die Sozialarbeiterin und die Krankenpflegerinnen ihren Beistand leisten, sondern die Patienten die Gelegenheit haben, sich untereinander auszutauschen. Dabei soll ihnen ein besonderer Tag gestaltet werden, weshalb das Hospiz für gutes Essen sorgt, wie z.B. Fleisch und Fisch, da sich das viele nicht leisten können. Man geht dabei von einer Art letzten Mahlzeit aus, weshalb nur die schwerwiegenden Fälle zum Day care eingeladen werden, die sich auch ein Gericht wünschen können. Wegen mangelnder finanzieller Mittel kann dieser Tag nur noch einmal im Monat stattfinden, anstatt wie zuvor wöchentlich.

Außerdem erklärte mir die Sozialarbeiterin, dass es sich bei den Kindern, die an diesem Tag dabei sind, auch um Jugendliche bzw. junge Erwachsene im Alter von 17/18 Jahren handelt. Die fehlenden Finanzen ermöglichen es nur leider nicht, die Gruppe dieser aufzuteilen, weshalb sie als “Kinder” zusammengefasst werden. Ich soll mir nun Gedanken machen, ob mir zum nächsten Day care am 16. April ein sinnvoller Ablauf für diese Gruppe einfällt. Eure Ideen sind dabei sehr willkommen! Man soll diesen Kindern noch eine schöne Zeit bescheren, wobei sie vermutlich körperlich beeinträchtigt sein werden. Das wird sicherlich ein sehr harter Tag…

Weiterhin erzählte sie mir vom Projekt Give a Chance, welches von diversen Ländern unterstützt wird und derzeit 75 Kindern, die ihre Eltern oder ein Elternteil verloren haben, ermöglicht, zur Schule zu gehen. Auch Weitsicht e.V. hat darüber schon einige Patienten unterstützt, wie man auf der Seite unter “Projekte” verfolgen kann.

Generell wurden mir in diesem Gespräch noch einmal die Augen geöffnet, nicht nur bezogen auf das Privileg, in Deutschland aufgewachsen zu sein, sondern auch die nachhaltige Arbeit des Hospice Africa Uganda (HAU). Wenn HAU Spenden erhält, dann sollen diese nicht in einzelne Mahlzeiten oder Kleidung der Hilfsbedürftigen gehen, sondern sie sollen eher als Investition dienen. Beispielsweise wird Geld gesammelt für ein Motorrad, damit Familienangehörige oder andere dieses als Boda-Fahrer nutzen und damit wiederum Geld verdienen können, um den Patienten zu versorgen. Oder mit den Spenden wird ein Kiosk eröffnet, oder es wird in eine Nähmaschine investiert.

Nachhaltigkeit steht also immer im Vordergrund. Patienten werden sogar manchmal eingesetzt, um sich gegenseitig zu helfen. Nicht nur beim Day care, sondern z.B. auch als spirituelle Unterstützung. Religion wird wie gesagt sehr groß geschrieben, was vielen Patienten Hoffnung gibt und sie etwas beruhigt. Die finanzielle Unterstützung kommt hauptsächlich aus den USA und England, wobei diese scheinbar nicht reicht. An vielen Stellen muss gekürzt werden - so z.B. auch die Hilfe für Familienangehörige im Todesfall. Das Hospiz gibt den hilfsbedürftigen Familien in diesem Fall etwas Geld, um eine anständige Beerdigung zu organisieren.

Mir wurde noch viel mehr erzählt, aber damit will ich euch jetzt nicht erschlagen. Nach dem Gespräch durfte ich noch bei Neuaufnahmen von Patienten dabei sein. Das war auch nochmal so ‘ne Nummer.

Ein Mann, 53 und sehr abgemagert, aber mit sehr geschwollenem Bauch und seine Frau wurden in ein Zimmer geführt, wo die Patientenakte angelegt werden sollte. Sie waren vom Hausarzt zum Hospiz geschickt worden und nun sollte festgestellt werden, ob sie im HAU an der richtigen Stelle waren. Das Gespräch verlief im Frage-Antwort-Pingpong; die Krankenschwester fragte, der Krankenpfleger machte sich Notizen in der Akte und eine freiwillige Krankenschwester half bei der Suche nach den richtigen Medikamenten und der angemessenen Dosis. Es stellte sich heraus, dass der Mann sowohl HIV positiv war als auch an Leberkrebs litt. Den wachsenden Bauch bemerkte er schon Ende 2016, traute sich aber nicht, den Krebs zu behandeln, weil er sich vor der Chemotherapie scheute. Das Bittere daran ist, dass man ihn zu dem Zeitpunkt vermutlich noch hätte heilen können.

Ich fühlte mich sehr fehl am Platz und rückte etwas mit meinem Stuhl nach hinten, auch um alle sehen zu können. Wegen mir sprachen sie Englisch und kein Luganda, außerdem wurden sehr persönliche Fragen gestellt. Scheinbar war es okay, also blieb ich. Der Mann ist so abgemagert, weil er nicht viel essen kann, da er sich wegen des ausgeweiteten Tumors sofort gesättigt fühlt. Als Nicht-Medizinerin waren das alles harte Fakten - die Krankenpfleger schienen es nicht anders zu kennen. Dies war sogar einer der “besseren” Fälle, da der Mann sich und seine Familie mit 9 Kindern (!) zumindest wegen seines Jobs im Parlament noch selbst verpflegen kann und ein eigenes Haus besitzt. Im Fragebogen fragt man aus diesem Grund auch nach den Kindern, z.B. nach dem ältesten und ob es schon arbeitet und somit für die Familie sorgen könnte. Immerhin scherzten am Ende alle ein wenig wegen der Nebenwirkungen des Morphins, welches dem Patienten verschrieben wurde. Morphin sorgt wohl für Verstopfung, weshalb ihm zusätzlich noch andere Tabletten mitgegeben wurden.

Ihr seht, für mich gibt es am Wochenende noch einiges zu verdauen. Heute Abend treffe ich Lydia, eine ugandische Freundin von Alf und bin schon gespannt, was wir machen. Bisher habe ich heute noch nicht so viele Fotos geschossen, aber wahrscheinlich werden noch welche nachträglich hinzugefügt.

Dann würde ich mal sagen: peace out!

PS: 1. Funfact: Frangipanis sind nicht nur wunderschön, sondern sie können wohl auch bei Herpes Zoster heilsam wirken. Also die milchige Flüssigkeit aus dem Stiehl der Blätter.

2. Funfact: Mein Nagellack an den Zehen schmilzt!!

Frangipani - davon gibt es jede Menge am Hospiz

Frangipani - davon gibt es jede Menge am Hospiz

Die milchige Flüssigkeit

Die milchige Flüssigkeit

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Die Arbeitsbereiche eines Social Workers - puh!

Die Arbeitsbereiche eines Social Workers - puh!

Scheku Anwar