Meine ersten Hausbesuche und African-(not-really-)Dance

Gestern Abend, also am 4. April verfasst:

Puh, bin ich müde. Zum einen liegt es an der erdrückenden Schwüle, zum anderen macht der ganze Smog auf den Straßen mich feddich und zusätzlich begann der Tag heute um 7 Uhr.
Der Tag im Hospiz beginnt immer um 8 Uhr morgens, wenn sich alle in einem Konferenzraum versammeln und singen. Danach wird ein Gebet gesprochen - hier sind fast alles christlich - und es werden Dinge besprochen, die alle betreffen. Nach der täglichen Besprechung durfte ich an einer Konferenz teilnehmen, bei der drei Patientenfälle besprochen wurden und man sich gegenseitig beriet. Medizinische Fachsprache, complicated.
Dann ging es mit einer Krankenschwester, einem Krankenpfleger und dem Fahrer in die umliegenden Dörfer zu den Hausbesuchen. 

Heute standen nur zwei Besuche an, bei beiden ging es um krebserkrankte Frauen. Die eine war 85, ein stolzes Alter, und wurde von ihrer 20jährigen Enkelin gepflegt, während der Rest der Familie auf der Arbeit oder in der Schule war. Abgesehen davon, dass die Enkelin es sich nicht aussuchen konnte, sondern von ihrer Familie als Krankenpflegerin auserwählt wurde, ließ mich noch etwas stutzig werden. Die 85jährige Frau wusste zwar, dass es ihr nicht gut geht und dass sie starke Kopfschmerzen hat, aber von ihrem Bauchkrebs weiß sie nichts, weil die Familie sie nicht beunruhigen will und ihr nichts davon erzählt hat. Das scheint hier etwas Gewöhnliches zu sein.
Die zweite Frau, 60, mit Darmkrebs, sah genauso alt aus wie die vorherige. Scheinbar hat die Krankheit sie sehr schnell altern lassen. Ihr Mann und ihre beiden Kinder kümmern sich um sie. Beide Häuser waren spärlich eingerichtet, mit Blechdach, aber es gab genügend Sitzmöglichkeiten, wenn auch nicht ganz bequem. Die Familien waren freundlich, auch wenn wir uns wegen Sprachbarrieren nicht wirklich unterhalten konnten, und ließen mich Fotos machen. 
Bisher blieb ich noch von furchtbaren Bildern verschont, auch wenn die Häusersiedlungen etwas Bedrückendes an sich hatten. Einige Mitarbeiter*innen aus dem Hospiz erzählten mir vorher, dass sie auch schon bei Hausbesuchen dabei waren und es nie wieder machen wollten. Sie würden verstehen, wenn ich weinend nach Hause ginge, ohne am nächsten Tag wieder zu kommen. 
Ich werde wieder hingehen und bin gespannt, was morgen geplant ist. Bisher ist es noch etwas schwierig, mich einzusetzen. Die Sozialarbeiter sind wohl nicht immer da und nur einmal im Monat findet Day Care statt, wenn die Kinder der Patienten da sind, man mit ihnen spielt und sich um sie kümmert. 

Bisher ist alles gut, aber ich merke schon, dass der Gestank des Verkehrs und dem brennenden Müll mich auf Dauer wahnsinnig machen würden, sowie die Abhängigkeit von Fahrern und anderen Menschen. Sobald es dunkel ist, sollte man als Frau nicht mehr alleine rumlaufen, selbst tagsüber kann es auf der Straße wegen fehlender Gehwege und manövrierender Roller- und Autofahrer gefährlich werden. Daher ist das bekannteste Transportmittel hier der Roller, wie in Indonesien und auch anderen Ländern. Man kann sogenannte Boda-Fahrer anrufen oder sie am Straßenrand abfangen, aber auch da haben nicht alle einen Zweithelm dabei. Bisher bewege ich mich also noch nicht so weit fort, doch vielleicht am Wochenende zusammen mit den anderen.

Der Dance Fitnesskurs stellte sich übrigens eher als ein Bootcamp einer (tollen) ugandischen Tänzerin heraus, die einen dazu drillte, die schnellsten und schwierigsten Übungen noch schneller zu machen. Beispielsweise so Hip Hop Moves, wenn man in die Knie und dabei mit dem einen Arm nach hinten geht, sodass die Handfläche den Boden berührt, man also eine halbe Brücke formt, und sich mit dem anderen Arm vorne ausbalanciert. Hat nicht so gut geklappt. Oder schnelles Hin- und her- oder auch Hochspringen, und das auf hartem Boden. Das meiste schien mir sehr bedenklich für den Körper zu sein, aber das hätte ich mir vielleicht auch schon denken können, als Linda (die Amerikanerin, die mich dorthin gebracht hat) wegen Knieschmerzen nicht mitmachen konnte und nur noch humpelt. Jedenfalls bestand der Tanzpart leider nur aus ca. 5 Minuten Arsch-Wackelei. Wobei die kurze Choreo schon gut war. Und das Ganze fand draußen statt, was angenehm war (sofern man irgendetwas an diesem Workout als angenehm bezeichnen könnte).

Noch zwei „Fun“ facts:
- Seit letztem Jahr zahlt man hier eine Steuer von umgerechnet ca. 1,50€ für die Nutzung von sozialen Medien wie WhatsApp, Facebook, Twitter, usw. Angeblich sollen diese sozialen Plattformen zu sehr für Klatsch und Tratsch sorgen.
- Wenn jemand in Afrika zu dir sagt „Man, bist du fett!“ (nicht, dass mir das passiert wäre), dann ist das ein Kompliment und bedeutet so viel wie „Du bist reich und kannst es dir leisten, gut zu essen“. Na dann...

Auf dem Weg zum ersten Hausbesuch - noch einmal einen Blick in die Patienten-Akte werfen

Auf dem Weg zum ersten Hausbesuch - noch einmal einen Blick in die Patienten-Akte werfen

1. Hausbesuch

1. Hausbesuch

1. Haus von außen

1. Haus von außen

2. Hausbesuch

2. Hausbesuch

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Meine erste ugandische Mahlzeit: Mittagessen im Hospiz (Reis, Bohnen, Avokado, Süßkartoffel, Matoke - pürierte, gekochte Bananen - mit einer Art Erdnusssoße)

Meine erste ugandische Mahlzeit: Mittagessen im Hospiz (Reis, Bohnen, Avokado, Süßkartoffel, Matoke - pürierte, gekochte Bananen - mit einer Art Erdnusssoße)

Scheku Anwar